Walachisches Glockenhäuschen neben Prager Museum

Man findet sie überall in ländlichen Gebieten in Teilen Österreichs, Schlesiens und vor allem und am meisten in den alten Ländern der böhmischen Krone, Tschechien und Mähren: Die kleinen Glockenhäuschen, auf Tschechisch Zvonička (von zvon abgeleitet, dem Wort für Glocke) genannt. Aber wie kommt dieses Glockenhäuschen hier nach Prag, das ja nicht ländlich im eigentlichen Sinne ist?

Fangen wir erst einmal mit dem geschichtlichen Hintergrund der Glöckenhäuschen an. Ihbre weite Verbreitung verdanken sie ursprünglich Königin Maria Theresia. Im Geiste des Aufgeklärten Absolutismus versuchte sie, die Gesetzgebung zu vereinheitlichen und die Bürger zu „vernünftigerem“ Handeln zu erziehen. Eine der Maßnahmen, die dabei herauskam, war das Feuerpatent vom August 1751, das den flächendeckenden Brandschutz zum Ziel hatte, was angesichts der Tatsache, dass gerade im ländlichen Raum die meisten Häuser aus brennbarem Holz gebaut waren, nicht völlig abwegig war. Es gab dort Vorschriften, dass Bäume zwischen Häusern gepflanzt, Kamine und Schornsteine aus Stein gemauert oder Teiche für Löschwasser angelegt werden sollte, aber auch, dass der Feueralarm durch eine Glocke gewährleistet werden musste. Maria Theresias Sohn, Kaiser Josef II., verschärfte die Artikel des Patents sogar noch. Erst das Aufkommen moderner Feuerwehren im späten 19. Jahrhundert machte die Glocken größtenteils obsolet.

Damit ist schon die erste Gedanke, der beim Anblick auftauchen könnte (was wohl meist der Fall ist), korrigiert, nämlich dass es sich beim Glockenhäuschen um einen Sakralbau handelt. Es ist nicht mit dem Glockenturm (auf Tschechisch: zvonice) zu verwechseln, dem meist freistehenden Turm einer Kirche (oft auch Campanile genannt), in dem ja ebenfalls Glocken hängen. Der eigentliche Zweck des Glockenhäuschens war also säkular, wenn nicht gar profan. Aber wieso steht solch ein Glockenhäuschen hier? In den ehemals ländlichen Randgebieten der Stadt findet man solche Glockenhäuschen ab und an. So nahe am Zentrum jedoch eher selten.

Nun, wir befinden uns in der Parkanlage des Kinský Gartens (Zahrada Kinských) mit seinem Schlösschen in Prag-Smíchov (Photo links). Park und Schloss wurden in den Jahren 1827 bis 1831 durch Rudolph Fürst Kinsky als englische Parkanlage angelegt. Der Garten war für die Bürger offen und es war sowieso vorgesehen, dass er irgendwann auch in öffentlichen Besitz kommen sollte. Folglich verkaufte der Sohn des Fürsten die ganze Anlage samt Schloss in Jahr 1901 an die Stadt Prag. Die beschloss nach einiger Beratschlagung, dass im Schloss ein Volkskundliches Museum (wir berichteten bereits hier) eingerichtet werden sollte, das sich dem Kulturerbe von Böhmen und Mähren widmen sollte. Alles weitere ging schnell voran und schon 1903 feierte man groß die Einweihung des Museums. Dazu stellte man das kleine Glockenhäuschen neben dem Schloss auf. Denn aus der praktischen Verordnung Maria Theresias war inzwischen ein Stück Volkskultur geworden.

Das Glockenhäuschen hatte man aus der kleinen Stadt Vsetín hertransportiert, wo es vorher seit dem Jahr 1792 stand. Diese Stadt liegt wiederum in der Walachei (tsch.: Valašsko), womit nicht das meist mit diesem Namen verbundene alte Fürstentum im heutigen Rumänien gemeint ist, sondern eine Region in Mährisch-Schlesien nahe der Beskiden. Das Gebirgsareal wurde im 17. Jahrhundert von Einwanderern aus den benachbarten Gebieten der heutigen Ukraine, Rumänien und der Slowakei kolonisiert (Hirten, Bergbauern). Darunter waren sicher auch sehr viele „echte“ Walachen, aber meist wurden die verschiedenen Gruppen nur unter diesem Begriff subsummiert, Es folgte eine allmähliche Assimilierung, sodass eine eigenständige Regionalkultur entstand. Zu der gehörte schon im 17. Jahrhundert die Feuerglocke. Hier entwickelte sich darob früh der Typ des Glockenhäuschens, der sich dann nach Maria Theresia schnell überall verbreitete. Dieser Grundtyp besteht aus einer Glocke, die überdacht in der Astgabel einer Baumkrone hängt. Manchmal ersetzten auch einfache Holzpfähle die natürliche Astgabel. Unter der Glocke befand sich um den Stamm/Pfahl herum unten ein kleines Häuschen für den diensthabenden Glöckner. In der mährischen Walachei nutzte man die Glocken auch, um etwa vor Räuberbanden oder Unwettern zu warnen. Dort, wo es in der Nähe keine Kirche mit Turm gab, konnte sie auch ab und an tatsächlich die Gemeinde zum Gottesdienst herbeirufen. Kurz: Oben in den Beskiden hatte das Glockenhäuschen einen besonders tief verankerten Traditionscharakter. Das dürfte der Grund gewesen sein, warum man ihn zur Eröffnung des Volkskundemuseums in Prag vor dem Gebäude aufstellte – als Exponat, dass man schon bewundern kann, bevor man das Museum überhaupt betreten hat. (DD)

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