Wie man in Nordböhmen kochte

Mit „Wahre Schätze aus der nordböhmischen Küche“ erschien im Verlag Tschirner & Kosová vor Kurzem ein weiteres Kochbuch für kulinarische Nostalgiker.

Frittatensuppe, Nockerlsuppe, Sauerkrautauflauf, Schinkenfleckerl, Speckknödl, Karlsbader Gulasch, Karfiolsalat, Kaiserschmarrn oder Moccatorte… Es sind nur einige der vielen kulinarischen Schätze aus Nordböhmen, die im März in einem neuen Kochbuch aus dem Verlag Tschirner & Kosová erschienen sind: „Wahre Schätze aus der Nordböhmischen Küche. Rezepte und Geschichten“.

Bei dem Buch handelt es sich um die Neuauflage eines Kochbuchs aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Salier, Pädagoge, Philatelist und Heimatforscher aus Südthüringen, der im Mai vor zwei Jahren verstorben ist. Saliers Schwiegereltern, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Reichenberg (Liberec) vertrieben wurden und sich im südthüringischen Themar ein neues Leben aufbauten, hatten das Buch Ende der 1960er Jahre, etwa zur Zeit des Prager Frühlings, bei einem ersten Besuch in der alten Heimat von einem Freund bekommen.

Die genaue Herkunft des noch in Sütterlin geschriebenen Kochbuchs ist nicht geklärt. Es soll einer „Oma Erna“ gehört haben, die zwar nicht als Urheberin gilt, da sie kein Sütterlin beherrschte, aber das Kochbuch diente ihr wohl über Jahrzehnte als eine wichtige Hilfe beim Kochen und Backen. Nach dem Tod der Schwiegereltern geriet das Buch in den Besitz von Hans-Jürgen und Gudrun Salier, wo es immer wieder zum Nachlesen und Nachkochen beliebter Rezepte verwendet wurde. Für die Familie war es ein Bindeglied zum Leben der Eltern und Großeltern und erinnerte an eine vergangene und oft auch verdrängte Lebenszeit. Nach Saliers Tod trat dessen Sohn an Verleger Jürgen Tschirner aus Leipzig heran und fragte an, ob er es nicht neu herausgeben mag, wie Tschirner erzählt.

Mehr als 500 Rezepte

Das stellte sich als keine leichte Aufgabe heraus. „Alles war handgeschrieben in Sütterlin. Es war ja früher so, dass die Rezept- oder Kochbücher handgeschrieben und dann von Generation zu Generation weitergegeben wurden“, erzählt Tschirner. „Und dann kam immer mehr dazu und die Bücher wurden immer dicker.“ Die vielen Rezepte – es sind über 500 – mussten also auch strukturiert und in eine sinnvolle Ordnung gebracht werden. Dabei sind auch interessante Rubriken wie etwa „Reste“ oder „Konserven“ entstanden.

Wer in das Kochbuch schaut, stellt überhaupt schnell fest, dass damals – im Gegensatz zu heute –nur wenig im Abfall landete. Vom Tier wurde alles, so gut es ging und genießbar war, verwertet. Deshalb finden sich im Kochbuch auch viele Rezepte mit Innereien, etwa Hirnsuppe oder Ragout von Kalbsherzen. „Da blieb nichts übrig“, sagt Tschirner. Ein mancher mag heute darüber die Nase rümpfen, doch für Tschirner war wichtig, dass auch diese Rezepte im Buch erhalten bleiben. „Das Buch soll ja nicht nur eine Kochanleitung für heute sein, sondern auch ein bisschen zurückblicken.“ Dementsprechend sind die Rezepte auch relativ anspruchsvoll: Wer sie nachkochen will, sollte mit seinen Kochkünsten idealerweise schon etwas fortgeschritten sein. Außerdem praktisch: Da viele Gerichte womöglich schwer im Magen liegen könnten, gibt es im hinteren Teil des Kochbuchs gleich einige Rezepte für ein Gläschen Hochprozentiges zur besseren Verdauung, etwa Magenbitter oder Kümmelschnaps.

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Über den Autor: Hans-Jürgen Salier (geb. am 2. April 1944 in Hildburghausen) war ein deutscher Pädagoge, Philatelist, Heimatforscher, Autor und Verleger. In den Jahren 1962 bis 1987 war er Lehrer für Geschichte, deutsche Sprache und Literatur, danach Lektor beim Transpress Verlag in Berlin. 1990 gründete er den Verlag Frankenschwelle in Hildburghausen. Salier war Autor zahlreicher Schriften zur Heimatgeschichte, Philatelie und Altbriefkunde. Zudem war er viele Jahre Mitglied des Kreistags sowie des Stadtrates Hildburghausen und bekleidete zahlreiche ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagements, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Salier starb am 30. Mai 2021 in Coburg. Foto: Salier Verlag

Zur Geschichte der Gablonzer und Reichenberger Gastronomie

Neben den Rezepten gibt es sehr lesenswerte kurze Kapitel über die Reichenberger und Gablonzer Küche, über ehemalige Gasthäuser, Weinstuben, Cafés und Hotels in Gablonz (Jablonec nad Nisou) – mehr als 100 sollen es gewesen sein – sowie über die berühmte Konditorei von Franz Jantsch in Reichenberg, einst die Top-Adresse für Torten, Gebäck und süße Leckereien. Unter anderem waren der spätere Kinderbuchautor Otfried Preußler und sein Vater dort Gäste.

Ergänzt durch die liebevollen Illustrationen von Kateřina Tschirner-Kosová, die viele Seiten mit Leben füllen, ist „Wahre Schätze aus der Nordböhmischen Küche“ eine Hommage an die nordböhmische Küche sowie nicht zuletzt ein wichtiges Zeugnis für die kulturelle Identität der einstigen deutschen Bevölkerung in Nordböhmen.

Hans-Jürgen Salier: „Wahre Schätze aus der Nordböhmischen Küche“, erschienen im Verlag Tschirner & Kosová (Leipzig). Hardcover 184 Seiten. Ladenpreis 35 Euro. Bestellbar auch über www.tschirner-kosova.de

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