- Hans Weber
- October 28, 2024
Wie Man In Tschechien Heiligabend Feiert…
Die Vorweihnachtszeit hat begonnen und stimmt die Menschen in Tschechien auf die kommenden Weihnachtsfeiertage ein. Persönlicher Höhepunkt unserer Landesbloggerin Magdalena: Heiligabend. Doch wie sieht überhaupt ein typisch tschechischer Heiligabend aus? Das hat sich unsere Landesbloggerin gefragt.
Weihnachten zählt zu einem der wichtigsten christlichen Feste und beginnt 24. Dezember: In Deutschland und Tschechien ist Heiligabend gleichermaßen ein Fest der Ruhe, Liebe und der Familie und vor allem der Kinder, die reich beschenkt werden. An diesem Festtag steht vor allem Familienzeit an vorderster Stelle. Ruhe soll nach dem Stress der Vorweihnachtszeit einkehren und die Besinnlichkeit hält Einzug. Obwohl in den tschechischen Familien an Heiligabend fast kaum mehr das ganztägige Fasten – ein alter Brauch – eingehalten wird, um bei Einbruch der Dunkelheit dann hoffentlich das Goldene Schweinchen („zlaté prasátko“) zu sehen, werden dafür andere Traditionen hochgehalten, die ich auch aus meiner Heimat Bayern zu Weihnachten kenne.
„O Tannenbaum, o Tannenbaum“
Ein mit Kugeln und Lichterketten geschmückter Weihnachts- oder Christbaum („Vánoční stromeček“) ziert in der Weihnachtszeit sowohl die deutschen als auch die tschechischen Häuser. Der Christbaum als weihnachtliches Symbol ist im 19. Jahrhundert aus Deutschland nach Tschechien gekommen. Traditionell wird der Baum erst an Heiligabend aufgestellt und einer Christbaumspitze, Glasperlen und -kugeln oder auch mit kleinen Plüschfiguren, Strohsternen sowie mit einer Lichterkette. Am Dreikönigstag, am sechsten Januar, wird der Baum gewöhnlich wieder abgeschmückt. Zu den beliebtesten Baumsorten zählen sowohl in Deutschland als auch in Tschechien die Tanne, die Kiefer und die Fichte.
Christbaumschmuck aus Plüschfiguren, Lichterkette und Glaskugeln. Foto: Magdalena Moser
Von Karpfen, Plätzchen und Weihnachtsstriezeln
Zu einem gelungenen Fest gehört natürlich auch ein traditionelles Essen. In Deutschland hängt die Tradition vom Bundesland oder sogar von der Region innerhalb der Länder ab. Allerdings stehen drei Gerichte häufiger auf dem weihnachtlichen Speiseplan der Deutschen: Würstchen mit Kartoffelsalat oder Sauerkraut, Fondue oder Raclette. Mein persönlicher Favorit ist definitiv das Raclette.
Traditionelles Weihnachtsessen in Tschechien dagegen ist der Karpfen mit Kartoffelsalat. Auch in manchen bayerischen und sächsischen Haushalten findet man traditionsgemäß einen Karpfen auf dem Teller. Seit dem 19. Jahrhundert ist der Karpfen an Heiligabend nicht mehr wegzudenken. Deshalb spricht man auch von „Heiligabend-Karpfen“ („štědrovečerní kapr“). Überall in der Stadt findet man ein paar Tage vor Heiligabend unzählige Verkaufsstände mit großen Bottichen, in denen dicht gedrängt Karpfen in allen Größen schwimmen. Dort können sich die Tschechen ihr Weihnachtsessen sozusagen selbst aussuchen und ihn entweder vor Ort schlachten lassen oder den Fisch noch lebendig mit nach Hause nehmen, wo er bis Heiligabend sein Zuhause in der Badewanne hat. Den Karpfen ist man meistens paniert („smažený kapr“) aber auch „blau“ („namodro“) oder „schwarz“ („načerno“) mit einer dunklen Soße.
Karpfen mit Kartoffelsalat ist ein beliebtes Weihnachtsgericht in Tschechien. Foto: Pixabay
Der Karpfen wird für das Fest restlos verarbeitet, deswegen wird auch oft eine Suppe aus den Fischresten gekocht. Der Aberglaube der Tschechen macht auch beim Essen nicht halt: Es gibt einen alten Brauch, der besagt, dass eine oder zwei Schuppen für das kommende Jahr in das eigene Portemonnaie gelegt werden müssen, damit man Glück hat und reich wird. Übrigens darf man während des Essens nicht vom Tisch aufstehen – das bringt Unglück.
Nach dem deftigen Hauptgang darf endlich das böhmische Weihnachtsgebäck („vánoční cukroví“) gekostet werden. Besonders beliebt sind Vanillekipferl, Mürbeteigplätzchen, Ischler Plätzchen, Perník Pfefferkuchen und Linzer Plätzchen.
Selbstgemachte Plätzchen meiner Oma. Foto: Magdalena Moser
Fehlen darf aber auch der Weihnachtsstriezel („Vánočka“) nicht. Vom Äußeren könnte der Weihnachtsstriezel auch als Weihnachtsstollen durchgehen, den meine Oma jedes Jahr zur Adventszeit backt. Jedoch haben die beiden bis auf ihre Form nur wenig gemeinsam: Der Weihnachtsstriezel ist nämlich ein Hefegebäck. Nach alter Überlieferung wird der Hefezopf aus sieben Strängen geflochten.
Nicht nur in meiner Heimat, sondern auch in Tschechien gilt also beim Sortenreichtum des Weihnachtsgebäcks das Motto: „Je mehr, desto besser.“ Um die zwölf Sorten sollten es mindestens sein, habe ich gehört.
Christkind oder Weihnachtsmann?
Nach dem Abendessen folgt dann der Höhepunkt des Heiligen Abends, wenn die Kinderaugen zu leuchten beginnen und gespannt auf das Läuten eines Glöckchens, das die Bescherung ankündigt, warten. Die Geschenke werden der tschechischen Tradition nach vom Christkind („Ježíšek“) gebracht, das unsichtbar ist und sich nur mit dem Klingen seiner Glocke bemerkbar macht. In meiner Heimat Bayern bringt auch das Christkind die Geschenke zu Weihnachten. Allerdings musste ich feststellen, dass das nicht für ganz Deutschland gilt. Das Christkind ist eher in katholischen Gegenden verbreitet: in Süddeutschland und Westdeutschland. Im Norden, im Osten und in der Mitte der Republik kommt an Heiligabend nämlich der Weihnachtsmann.
Christbaum mit Geschenken. Foto: Magdalena Moser
Böhmische Weihnachtsmesse
Zu den Traditionen am Heiligen Abend gehört zudem der Besuch der Christmette, denn dort wird die volkstümliche Böhmische Weihnachtsmesse („Česká mše vánoční“) von Jakub Jan Ryba gespielt, die sich kein Tscheche zu Weihnachten entgehen lassen will. Die Messe erzählt von der Verkündung der Geburt Christi und den Hirten, die sich zu der Krippe begeben.
Hier kann man sich eine Aufführung der Böhmischen Messe von Jakub Jan Ryba ansehen:
Nach dem Besuch der Messe ist der festliche, traditionsreiche Heiligabend in Tschechien komplett. Eines kann ich auf jeden Fall sagen: Die Tschechen wissen, wie man Weihnachten feiert. In diesem Sinne wünsche ich eine besinnliche Adventszeit und „Frohe Weihnachten“ oder besser gesagt „Veselé Vánoce“!
Servus und ahoj an alle Leserinnen und Leser des LandesEcho,
mein Name ist Magdalena Moser. Ich komme aus Niederbayern und studiere Governance and Public Policy an der Universität Passau. Im Rahmen meines Studiums mache ich für drei Monate ein Praktikum in der Redaktion von LandesEcho in Prag – in der Hauptstadt bin ich nun zum ersten Mal und werde deshalb in meiner Zeit hier ausgiebig alle Ecken von Prag erkunden.
Ich freue mich schon sehr darauf, in die für mich unbekannte Welt des Journalismus reinschnuppern und meine Erlebnisse im LandesBlog verarbeiten zu dürfen. Darüber hinaus ist mein Praktikum beim LandesEcho eine echte Gelegenheit, die Gesellschaft und Kultur Tschechiens kennenzulernen und mich auf die Spuren der deutschen Minderheit zu begeben. Dabei hoffe ich, zusätzlich meine dürftigen Tschechischkenntnisse aufbessern zu können. Ich bin schon sehr auf die vielen neuen Eindrücke gespannt, die mich in den nächsten Monaten hier erwarten.
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