Wo Renaissance draufsteht, ist Renaissance drin

Eine große Kunstausstellung, die sich in einem großen Kunstwerk befindet: Genau das bietet der Schwarzenberg Palais (Schwarzenberský palác) – ein großer ehemaliger Adelspalast, in dem heute ein Teil der Nationalgalerie Prag residiert.

Am Burgplatz (Hradčanské náměstí 185/2) gelegen, thront er majestätisch über der Stadt und ist eines der Schmuckstücke des Palastviertels, das sich in der Nähe der Burg befindet. Ja, im Grunde steht das Palais sogar für den Anfang der Geschichte des Hradčany (Burgstadt). Denn im Mittelalter war dies der Ort, wo die Bediensteten oder Leibeigenen wohnten, die in der Prager Burg (Pražský hrad) eher niedere Dienste erledigten. Eine Art Armenviertel also. Das begann sich im 16. Jahrhundert langsam zu ändern. Die Etablierung der Habsburger als Könige von Böhmen ab 1526 führte zu einem gewissen Bedeutungszuwachs Prags,, der mit der Krönung Rudolfs II. 1575, der Prag (und damit die Burg) zum Hauptstadtsitz des ganzen Habsburgerreichs machte, einen neuen Höhepunkt erreichte. Zudem sorgte eine Großkatastrophe, das große Feuer von 1541, zur Verwüstung der Kleinseite und Teil der Burgstadt. In Zusammenhang mit der Aufwertung Prags bot sich damit die von vielen böhmischen Adelsfamilien gerne genutzte Chance, sich in der wärmenden Nähe des neuen Machtzentrums anzusiedeln und nun hier prächtige Adelssitze zu erbauen. Heute nennt man das Gentrifizierung. Aus der Asche des Armenviertels erwuchs eine wahre Luxusmeile.

Und der Schwarzenberg Palais stand am Anfang. Mit dem Bau begann man bereits vier Jahre nach dem Feuer im Jahr 1545, aber ob der Größe des Projekts wurde er erst 1567 fertiggestellt. Und er hieß dann auch nicht Schwarzenberg Palais, denn Auftraggeber war Freiherr Johann III. “der Jüngere“ Popel von Lobkowicz aus dem böhmischen Hochadelsgeschlecht der Lobkowicz. Mit ihm begann eine lange Reihe von verschiedenen Besitzern. Im Jahr 1600 war der nächste Besitzer aus dem Hauses Lobkowicz beim König in Ungnade gefallen, der dafür ihn kurzerhand enteignete. Und schon gehörte der Palast Peter Wok von Rosenberg, der sich besonders um die religiöse Toleranz im Lande verdient machte. Der starb aber ohne Erben, sodass der Palais aufgrund eines Erbvertrags an Johann Georg von Schwanberg (manchmal auch Schwamberg), dem Oberst-Landkämmerer in Böhmen, fiel, der 1617 starb. Sein Sohn Peter nahm 1618 am Böhmischen Ständeaufstand gegen die Habsburger teil, weil er eben diese Toleranz gegen deren militanten Katholizismus verteidigen wollte. Das ging aber bei der Schlacht am Weißen Berg 1620 schief und darob wurde der Palast abermals konfisziert. Der neue glückliche Besitzer wurde der Habsburgtreue Fürst Hans Ulrich von Eggenberg. Das Geschlecht der Eggenberger behielt den Palais bis 1719. Im Jahre 1710 war der letzte männliche Sproß, Johann Christian von Eggenberg, kinderlos gestorben und hinterließ den Palais seiner Witwe, die 1719 starb und den Besitz ihrem Neffen Adam Franz Karl, Fürst zu Schwarzenberg vermachte. Das Fürstengeschlecht Schwarzenberg hatte bei der Besitzwahrung deutlich mehr Ausdauer als die Vorgänger, denn der Palais gehörte den Schwarzenbergs bis zur Enteignung 1947. Wohl deshalb trägt er seither und bis heute den Namen des Geschlechts.

Auf jeden Fall hielten die Schwarzenberg das historisch und künstlerisch bedeutsame Gebäude gut in Schuss. Es handelte sich ja auch um eines der großen Meisterwerke des Böhmischen Renaissance – vergleichbar allenfalls mit dem Lustschlösschen der Königin Anna (Letohrádek královny Anny) nahe der Burg (wir berichteten hier). Entworfen wurden die Pläne dafür von dem italienischen Baumeister Agostino Galli, der damals für das Geschlecht Lobkowicz auch das sehr ähnlich gestaltete Schloss Horšovský Týn in Westböhmen entworfen hatte. Auffälligstes Merkmal des aus einen großen zentralen und T-förmig angeordneten kleinen Gebäuden, sowie einem schönen Innenhof bestehenden Palais‘ ist die typische Fassade, die mit Sgraffiti (eine Stuckkratztechnik mit verschieden gefärbten Schichten) überzogen ist, die größtenteils ein regelmäßiges Natursteinmauerwerk aus Diamantquadern vortäuschen. Darüber verleihen den treppenförmigen Giebel und die Lünetten unter dem Dach dem Palais seine charakteristische Gestalt und Ästhetik.

In den Jahren 1723/24 ließ der Fürst als neuer Besitzer das etwas in die Jahre gekommene Gebäude renovierten und vor allem modernisieren. Insbesondere die Innenräume entsprachen nicht mehr den modernen Vorstellungen von Wohnkultur. Nach den Plänen des Wiener Barockarchitekten Antonio Erhard Martinelli führte der Architekt und Baumeister Anton Haffenecker (der Erbauer des Ständetheaters – Stavovské divadlo -, über das wir bereits hier berichteten) eine behutsame Sanierung und Modernisierung durch, die den Originalcharakter aber weitgehend beibehielt. Zusätzlich erwarb die Familie gleich noch das Nachbargebäude, den Palais Salm (Salmovský palác). Den hatte der Prager Erzbischof Wilhelm Florentin von Salm-Salm 1810 bauen lassen. Im gleichen Jahr verstarb er, so dass die Schwarzenbergs das klassizistische Gebäude erwerben und dann mit dem Renaissance-Palais verbinden konnten – eine architektonische Lösung, die bis heute Bestand hat. Dann kam das Unglücksjahr 1870. Der Zahn der Zeit hatte wieder am Gebäude genagt und in diesem Jahr stürzte gleich der gesamte Westgiebel des Schwarzenberg Palais‘ ein – Signal für eine weitgehende Generalüberholung. Um das Renaissancegebäude authentisch zu erneuern, zog man Spezialisten der Neo-Renaissance als Architekten für die Planung zu rate, vor allem Josef Schulz (der u.a. das Nationalmuseum entworfen hatte und den wir u.a. auch bereits hier und hier erwähnten) und Antonín Wiehl, über den wir u.a. schon hierhier und hier berichteten. Die hatten aber ihre eigenen (gewiss nicht schlechten) Vorstellungen, wie vor allem die Sgraffiti auszusehen hatten. Kurz: Die alten (dann doch historisch bedeutenderen) Sgraffiti, die sich über rund 7000 Quadratmeter auf der Fassade erstreckten, wirden übermalt und teilweise zerstört. Erst im späten 20. Jahrhundert machte man diese Änderung rückgängig, wobei den Restauratoren die gottlob erhaltenen Originalpläne aus der Renaissancezeit zur Verfügung standen.

Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Zeit der großen Adelspaläste weitgehend vorbei. Auch hier veränderte sich die Wohnkultur. Viele Prager Paläste wurden zumindest teilweise umfunktioniert, etwa durech die Schaffung von Mietwohnungen (Beispiele nannten wir hier und hier). Die Zeiten gingen auch nicht am Schwarzenberg Palais vorbei, auf den aber eine besondere Nutzung wartete. Nach der sensationellen Industriemesse des Habsburgerreichs, der Prager Landes-Jubiläumsausstellung von 1891, standen in der Stadt so viele großartige technische Erfindungen und Gerätschaften quasi nutzlos herum, dass die Idee aufkam, ein Technisches Nationalmuseum (Národní technické muzeum) einzurichten. Das heutige Gebäude des Museums entstand erst in den 1930er Jahren (wir berichteten her). 1909 jedoch vermieteten die Schwarzenbergs das Gebäude kostenlos an die Träger des Museums, das darob 1910 hier seine Pforten eröffnete und bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs dort blieb. Während des Prager Aufstands (siehe auch hierhier und hier) gegen die Nazis im Mai 1945 wurde der Bau noch einmal schwer beschädigt und musste gründlich repariert werden. Die Schwarzenbergs hatten davon nichts, denn ihnen widerfuhr erst einmal großes Unrecht.

Nach dem Krieg wurden die meisten Deutschböhmen enteignet, es sei denn, sie hatten nachweislich treu zur Tschechoslowakischen Republik gestanden. Niemand bezweifelte, dass dies bei der Familie Schwarzenberg der Fall war. Sie hatte sich zunächst dem Widerstand gegen die Nazis angeschlossen und dann im amerikanischen Exil Exilanten und Widerständler finanziell unterstützt. Es gab also keine gesetzliche Basis, der Familie irgendeinen Schaden zuzufügen. Nicht etwa die Kommunisten (die erst 1948 die Macht ergriffen), sondern das Parlament der 1945 wieder eingesetzten Tschechoslowakischen Republik (deren Präsident Edvard Beneš war) schuf darob 1947 ein speziell auf die Familie zugeschnittenes Sondergesetz, die berüchtigte Lex Schwarzenberg, um die Familie dennoch aus kaum einsichtigen Neidmotiven heraus zu enteignen. Und so geriet der Palais (bis heute) in die Hände des Staates. Schon im gleichen Jahr wurde hier ein Militärgschechtliches Museum eröffnet. In den Zeiten des Kommunismus wurde das Gebäude so zwar genutzt, aber – wie eiegntlich üblich – litt das Gebäude unter Vernachlässigung. Als der kommunistische Spuk vorbei war, übertrug man das Gebäude der Nationalgalerie Prag (zusammen mit dem Salm Palais). Die große Renovierung begann.

2008 wurde die Dauerausstellung der unter der gemeinsamen Überschrift Alte Meister (Staří mistři) laufenden Sammlungen für Renaissance- und Barockkunst hier untergebracht und eröffnet (im Salm Palais kann man die Kunst von Klassizismus und Romantik bewundern). Besonders die Renaissancekunst hat natürlich hier eine ideale Heimstatt gefunden, passen doch die noch erhaltenen elaboriert bemalten und gut erhaltenen Renaissance-Tafeldecken mit Motiven aus der griechischen Sagenwelt hervorragend zur Sammlung. Links sieht man das Deckengemälde vom Sturz des Phaethon aus dem Sonnenwagen. Kunst im angemessenen Setting also! Man könnte fast schon salopp sagen, wo Renaissance draufsteht, ist Renaissance drin.

Und von der Modernisierung der Jahre 1723/24, die im barocken Stil erfolgte, gibt es ebenfalls Relikte, die natürlich wiederum zur Barockausstellung passen. Etwa der rechts abgebildete Keramikofen – Ausdruck des erhöhten Wohnkomforts, den die Bewohner damals bereits von ihrem Palais erwarteten. Was die ausgestellte Kunst selbst angeht, so enthält die einen Mix von international bekannten Künstler wie Albrecht Dürer oder Rembrandt van Rijn, aber auch lokalen böhmischen Größen wie Karel Škréta oder Matthias Bernard Braun. Auf jeden Fall ist sie einen Besuch wert! (DD)

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