Žižka-Zelebration

Heute vor 602 Jahren, am 14. Juli 1420, errang er bei der Schlacht am Veitsberg (Vítkov) seinen ersten großen Sieg: Der große Hussitenfeldherr Jan Žižka, der hier von der Fassade des fünfstöckigen Wohn- und Mietshaus in der Italská 1580/26 ausgesprochen trutzig herunterschaut. Der einäugige Kämpe, der bis zu seinem Tod 1424 als Heerführer in den Hussitenkriegen unbesiegt blieb und so den Sieg der katholischen Kreuzritter über die Böhmen verhinderte, war um die Jahrhundertwende für patriotische und latent anti-Habsburgische Tschechen so etwas wie eine nationale Kultfigur (wie wir schon hier feststellten). Deshalb widmete man ihm allerorten Denkmäler und auf vielen bürgerlichen Häuserfassaden war er in Stuck gerne gesehener Gast.

So auch hier. Das Haus in der Italská ragt aber in der Intensität des Žižka-Kults über das Normalmaß hinaus. Der in der nationalen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zum Nationalmythos Verklärte erscheint uns nicht nur in Form des Portraitreliefs im großen Bild oben, sondern überall auf der Fassade. Es handelt sich um eine wahre Zelebration. Gebaut wurde das Haus im Jahre 1910 nach den Plänen des Jugendstilarchitekten Bohuslav Homoláč (wir erwähnten ihn bereits hier). Entsprechend handelt es sich auch um ein Gebäude in einem leicht historisierenden Jugendstil.Das Gebäude fällt dem Passanten schon wegen der durch Erker und Balkone belebten Fassadenstruktur auf.

Der eigentliche Clou neben den Stuckaturen sind jedoch die Fresken, die die Fassade von oben bis unten überziehen. Dabei steht primär der Hussitenheld Žižka im Mittelpunkt. Die Ausnahme ist das Giebelgemälde, das aber immer noch ein sehr patriotisches Motiv, allerdings aus der Legendenwelt, präsentiert. Es zeigt die weise Wahrsagerin Libuše, die der Sage nach im 8. Jahrhundert durch ihre Heirat mit dem Pflüger Přemysl das Herrschergeschlecht der Přemysliden gründete, das Böhmen zu ungeahnter Größe verhalf. Hier sieht man sie umrahmt von ihren Schwestern Kazi und Teta, wie sie (korrekt!) den kommenden Ruhm der Stadt Prag prophezeit – ebenfalls ein Motiv, das in der nationalpatriotischen Malerei einen Dauerruhm-Platz einnimmt.

Die Freskengmälde des Hauses wurden wahrscheinlich von dem damals außerordentlich populären Historienmaler Mikoláš Aleš (frühere Beiträge u.a. hierhier und hier) entworfen, der einen Faible für den Stil der Neorenaissance hatte, der aus patriotischen Gründen meist der böhmischen Früh-Renaissance nachempfunden war. Die Ausführung überließ er wohl dem ebenfalls damals sehr bekannten Maler Láďa Novák, mit dem er häufiger zusammenarbeitete – etwa bei dem stilvollen Haus bei Rott (Dům U Rotta) in der Altstadt, über das wir schon hier berichtet hatten. Novák galt als Spezialist für Fassadenmalerei und hat in Prag – nicht nur für Aleš -rund 100 von ihnen gestaltet. Rechts sieht man ein Gemälde über dem zweiten Stock des Hauses in der Italská, das Žižka von seinen Kriegern umgeben in die Schlacht ziehen sieht.

Ein anderes Bild, das man links sieht, bildet so etwas wie den thematischen Abschluss der Fresken. Ein berittener Hussitenkrieger ist nach vollendeter Schlacht (?) still unter dem Symbol des Kelches, das auch seinen Schild schmückt, ins Gebet versunken. Der Kelch war nämlich das immer wiederkehrende theologische Symbol der Hussiten (und heute aller evangelischen Kirchen im Lande), die in ihren Gottesdiensten den von der katholischen Kirche als häretisch betrachteten Laienkelch ausgaben. Das leere, auf mittelalterlich getrimmte Stuck-Wappen daneben unterstreicht den für ein Jugendstilgebäude ausgesprochen historistischen Charakter des Ganzen.

Das Haus wurde 2002 gründlich renoviert und umgebaut, was aber primär den Innenbereich betraf. Dort wurde nun auch für Büros einer Versicherungsvertretung Raum geschaffen. Der renommierte Restaurator und Bildhauer Jiří Živný sorgte dafür, dass dies minimal-invasiv zuging und außen vor allem die Fassade mit den Fresken und den fein ziselierten Stuckarbeiten in altem Glanz wieder auferstand. Insbesondere der Eingangsbereich, wo bei der Hausnummernstuckatur der Jugendstil-Charakter des Hauses besonders gut sichtbar ist (Bild rechts), zeugt davon, dass dies recht gut gelungen ist.

Und noch ein interessantes Stück Stuck findet man, wenn man sorgfältig hinschaut: Denn auch der ursprüngliche Auftraggeber und damalige Besitzer, der das Haus 1910 erbauen ließ, ist auf der Fassade mehr oder minder diskret verewigt – allerdings nicht so auffällig als Reliefbüste oder Fresko wie es bei dem von ihm anscheinend sehr bewunderten Jan Žižka oder der guten Libuše und ihren Schwestern der Fall war. Dieser Besitzer war ein gewisser Josef Chadim, über den ich sonst eigentlich nichts habe herausfinden können. In einer Kartusche unterhalb des Balkons des mittleren Erkers findet man seine Initialen “ J.Ch“ – in einer besonders schnörkeligen und sehr jugendstiligen Schrift.

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